Schlangen...

...galt schon immer meine ganz besondere Sympathie. Wahrscheinlich, weil sie ungeachtet ihrer Nützlichkeit generell verfemt werden, und ihre Chancenlosigkeit gegenüber den Menschen an mein Helfersyndrom appellierte.

Ich war sieben Jahren alt, als ich am Beispiel einer Ringelnatter lernte, die üblichen Vorurteile zu revidieren. Ich erlebte, dass sie nicht glitschig, stinkig oder heimtückisch waren, sondern sauber wie eine Eidechse und elegant wie eine Lederpeitsche.

Damit begann mein erstes Interesse. Ihre Art, sich ohne Gliedmaßen virtuos in der Welt zu behaupten, forderte mir Respekt ab, faszinierte mich. Ich beneidete sie um ihre Fähigkeit, Monate lang zu hungern, sich unbemerkt an ihre Beute anzuschleichen, elegant zu schwimmen, Minuten lang zu tauchen, geschickt zu klettern, durch schmalste Ritzen zu entkommen. Schlangen besaßen etwas, das ich gern selbst gehabt hätte. An mir hätte man diese Fähigkeiten garantiert bewundert, Schlangen gereichte das eher zum Verhängnis. Dazu trug sicher auch die Angst vor der Wirkung ihres Giftes bei. Obwohl nur jede zehnte Schlangenart giftig ist, sorgen Unkenntnis und mangelnde Erfahrung dafür, dass diese Angst auf alle Schlangen übertragen wird. Sie werden als Gefahr eingestuft und totgeschlagen.

Mit neun Jahren hatte ich im Garten mein erstes kleines Freigehege für eine Ringelnatter. Ich versorgte sie mit Fischen. Im Herbst ließ ich sie rechtzeitig frei, damit sie sich ein Winterquartier suchen konnte. Das hatte mein Vater mir geraten.

Mit 17 radelte ich nach Marrakech in Marokko, um Schlangenbeschwörung zu lernen. Mit 25 wollte ich mit sechs naturbelassenen, also unpräparierten Kobras im Hansa-Theater zu Hamburg auftreten und dem Publikum den Trick der Beschwörung unterhaltsam vorführen. Meine Nummer scheiterte an der Uneinsicht der Versicherungen. Keine wollte das Risiko decken.

Selbst in meiner kleinsten Studentenbude hatte ich neben meinem Bett stets ein Terrarium mit einem der Reptilien. Kettenvipern, Puffottern, Klapperschlangen. Der Reiz der Schlangenhaltung bestand für mich vor allem darin, dass sie immer ein Stück unberechenbarer Wildnis bleiben. Das hat mir manche Freundin vertrieben und andere zugeführt.

Als ich mir den Luxus eines eigenen Tropenraumes leisten konnte, beschränkte ich mich auf frei kriechende Riesenschlagen bis zu sieben Metern Länge. Mitten zwischen ihnen hing meine Hängematte, aus der ich sie beobachtete. Manchmal schlief ich ein. Dann weckten sie mich, wenn sie es sich auf mir bequem machten, um von meiner Körperwärme zu tanken. Schlangen sind Wechselblütler. Sie beziehen ihre Wärme aus der Umgebung.

Hatte ich Bewerber für meine Urwaldreisen, mussten manche von ihnen eine Nacht probeschlafen in dieser „Hängematte des Schreckens“. Als „Lebensversicherung“ hatte ich dann unter der Hängematte eine Glocke angebracht. Im Ernstfalle hätte sie geläutet. Und ich selbst schlief unmittelbar vor dem Schlangenraum. Mit wenigen Handgriffen hätte ich den umwickelten Partner aus der Umschlingung befreien können.

Im Laufe der Jahre blieb es nicht aus, dass mir die absurdesten Dinge mit diesen Tieren widerfuhren. Ob daheim oder in der Wildnis. Situationen, wo ich mehr Glück als Verstand hatte, wo sich Geschichten ergaben, die ein ganzes Buch füllen würden. Aber ich habe sie verteilt auf verschiedenste Bücher. Immer dorthin, wo sie hingehörten. Oder in meine ganz besonderen Geschichten in den Büchern „Echt verrückt“ und „Voll peinlich“.

Da wären beispielsweise mein Versuch des Probewürgens mit einer Riesenschlange, der Fang einer schenkeldicken Anakonda in Brasilien, die Flucht einer Kobra in der Wohnung, der Fund von 60 jungen Ringelnattern in einem Grab, die Erfahrungen mit dem Biss von Giftschlangen oder wie ein Frosch schmeckt, den man einer Ringelnatter aus dem Magen massiert hat.

Zu meinem Bedauern musste ich das Hobby irgendwann aufgeben, als die Menschenrechtsarbeit eine Umorientierung meines Lebens erforderte und andere Herausforderungen Priorität erhielten.